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Mythos Early Adopter: Erfolgs-rezept oder Risiko-geschäft?

Geschrieben von Juliane Waack | 25.01.2023 07:30:00

Wenn wir über die Digitalisierung sprechen, feiern wir oft die "Early Adopters" und fordern andere Unternehmen auf, ihrem Beispiel zu folgen. Aber nicht jeder Trend ist automatisch ein Erfolgsgarant, was die Frage aufwirft: Wird der Mythos des Early Adopters nur von den Gewinnern erzählt?

Inhalt

  1. Was steckt hinter der Diffusion von Innovationen?
  2. Early Adopters sind risikofreudig
  3. Nicht jeder Trend ist die Investition wert
  4. Ihre Business Cases geben die Richtung an
  5. Die Marktrecherche schafft Relevanz
  6. Fazit

Als Unternehmen, das sich auf dem Weg zum Erfolg befindet, muss man nicht unbedingt ein "Early Adopter" sein (zu Deutsch: Nutzer:innen Unternehmen, die einen Trend frühzeitig implementieren). Es liegt ein großer Spielraum zwischen den Early Adopters und den so genannten "Laggards" (Nachzügler), die etwas zu spät auf neue Technologien umsteigen. Tatsächlich findet die Akzeptanz und Implementierung meistens bei der sogenannten "Early & Late Majority" (frühe und späte Mehrheit) statt, die sich bequem auf erprobte Standards und Best Practices verlassen kann.

Was steckt hinter der Diffusion von Innovationen?

Manche Dinge sind Evergreens, so wie das Buch "Diffusion of Innovations" von Everett Rogers, das 1962 veröffentlicht wurde und immer noch als Grundlage für die Erklärung der Innovationsadoption sowie ihrer Gewichtung auf dem Markt verwendet wird (Quelle: Wikipedia).

Rogers' Studien zufolge machen Innovatoren und Early Adopters nur etwa 16% aller Nutzer:innen neuster Trends aus. Die frühe und späte Mehrheit sind derweil mit 68% das große Fundament, um den Erfolg einer Innovation auf dem Markt zu verfolgen. Die bereits erwähnten Laggards bleiben mit 16% oft dem Standard hinterher.

Nun könnte man annehmen, dass Innovatoren und Early Adopters vielleicht einfach schlauer sind als der Rest. Das würde jedoch ignorieren, dass nicht jedes Unternehmen die gleiche Struktur, Mentalität, Kultur und Risikobewertung bei der Entscheidung zur Einführung einer neuen Technologie (und den daraus resultierenden Investments) aufweist.

Early adopters sind risikofreudig

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Innovatoren und Early Adopters sind risikofreudiger und verfügen über mehr finanzielle Liquidität - beides sind wichtige Aspekte, die den Unterschied machen.

Kurzum: diese Menschen und Unternehmen können es sich entsprechend leisten, Fehlinvestitionen zu tätigen.

Unternehmen, die diese Risiken eingehen wollen, haben oft ihre eigenen Innovationszentren mit sehr kontrollierten Umgebungen für Experimente und Tests. Gleichzeitig verfügen auch sie über eigene Budgets und entscheiden basierend auf geschäftsfördernden Kriterien.

Innovatoren und Early Adopters haben den Vorteil, dass sie Tests und Experimente als Pilotprojekte nutzen können, um zu entscheiden, welche Trends eine flächendeckende Implementierung wert sind. Dadurch verfügen sie auch über bereits erprobte Standards, Prozesse und Guidelines, um den Roll-Out risikoärmer zu gestalten.

Allerdings hat nicht jedes Unternehmen die Mittel oder sogar die Notwendigkeit, ein Innovationszentrum einzurichten. Wer zur frühen oder späten Mehrheit gehört, profitiert von zahlreichen Vorteilen:

  • Etablierte Benchmarks
  • Standards & Best Practices
  • Compliance & Datenschutz
  • Out-of-the-Box-Lösungen, die sich einfacher implementieren lassen

Die hohen Investitionssummen der Innovatoren und Early Adopter reduzieren sich drastisch, sobald der Markt Standards entwickelt hat, so dass die Mehrheit diese Trends günstiger, risikoärmer und skalierbarer implementieren kann.

Nicht jeder Trend ist die (sofortige) Investition wert

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NFTs (Non Fungible Tokens) hatten ein turbulentes Jahr. Sie wurden in den sozialen Medien und von vielen Promis gefeiert und landeten anschließend vorwiegend in den Nachrichten, weil Nutzer:innen gehackt wurden, Investoren ihr Geld an Betrüger:innen verloren und Künstler:innen berichteten, dass ihre Werke ohne Zustimmung für NFTs verwendet wurden.

Für viele Erstanwender:innen und Investoren bedeutete dies 2022:

  • Investitionsverluste
  • Geringes Marktvertrauen in die dahinterliegenden Technologien
  • Unsicherheit bezüglich des zukünftigen Marktpotenzials
  • Der schlechte Ruf, der mit der Technologie verbunden ist (Betrug, Scam und Hacking)

Derweil steht das Metaverse auf vielen Trendlisten für 2023, darunter auch von Gartner:

"Eine kombinatorische Innovation, die aus mehreren Technologiethemen und -fähigkeiten besteht".

Anfang November 2022 musste Meta jedoch 13% seiner Mitarbeitenden entlassen. CEO Mark Zuckerberg gab zu, dass die erwarteten Werbeeinnahmen nicht die prognostizierten Ziele für 2022 erreicht hatten (Quelle: via CNBC). Besucher des Metaverse sprechen von leeren Räumen und die angegebenen Nutzer:innenzahlen belaufen sich angeblich auf 400 monatlich aktive Nutzer:innen, darunter mehrheitlich Teenager, die nicht wegen der Nutzungspotenziale dort sind, sondern weil Meta diverse populäre Spielumgebungen erworben hatte (Roblox, Fortnite, Minecraft).

Investitionen in das Metaverse sind daher - aller Trendartikel zum Trotz - derzeit eher ein Risikogeschäft mit ungewisser Zukunft, da die gegenwärtigen Mehrwerte für Unternehmen gering sind.

Aber ...

Ich bin nicht hier, um von Innovation und Begeisterung für neue Technologien abzuraten, ganz und gar nicht. Als Marketing Manager bei DIGITALL, die Unternehmen auf ihrem Weg zur digitalen Transformation unterstützt, lebe ich für Trends und Potenziale, die mit der Entwicklung von Technologien einhergehen.

Aber so wie wir unsere Kunden mit Evaluierungs- und Strategiemethoden unterstützen, um die richtigen Lösungen zu finden, ist es für jedes Unternehmen und jede Organisation wichtig, nächste Schritte zu evaluieren, bevor in Trends investiert wird.

Ihre Business Cases geben die Richtung an

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Ich bin der festen Überzeugung, dass Investitionen in Trends schaden, wenn sie auf "FOMO" basieren - der Angst, etwas zu verpassen (fear of missing out). Gerade für Entscheider:innen, die viel online sind, kann es schwierig sein, zwischen Hype und Realität zu unterscheiden, da viele Marketer, Anbieter und Early Adopter online über die vielen Vorteile neuer Trends berichten - und die Realität zugunsten der Zukunftspotenziale oftmals verschweigen.

Die erfolgreiche Einführung einer neuen Technologie kann jedoch fast garantiert werden, wenn das Unternehmen einen konkreten Anwendungsfall hat, der

  • die Produktivität steigern,
  • die Benutzer:innenerfahrung optimieren,
  • die Dateneinsicht verbessern
  • oder auf andere Weise die Prozesse, Systeme und Ziele des Unternehmens verbessern kann.

Das Wichtigste zuerst: Es ist nie von Nachteil, sich für neue Trends zu interessieren.

Es gehört zur Grundlage erfolgreicher Investitionsstrategien dazu, Entwicklungen zu beobachten, sich zu informieren und Fragen zu stellen. Doch zwischen Interesse und Investment liegen diverse Schritte, die nicht über das Knie gebrochen werden sollten. Es lohnt sich, eine Adoptionsstrategie zu erwägen, wenn:

  • Sie wissen, was die Technologie aktuell kann und welches Zukunftspotenzial sie hat;
  • Sie einen passenden Business Case haben, der von dieser Technologie profitieren kann;
  • Sie wissen, dass die Entwicklung bereits so weit fortgeschritten ist, dass die Technologie reibungslos läuft, standardisiert ist, angepasst werden kann, Compliance-Regeln einhält und ohne Risiken mit anderen Systemen verknüpft werden kann.

So birgt 5G beispielsweise ein immenses Potenzial für das Internet der Dinge und für den Ausbau cloudbasierter Informations- und Kooperationsnetze. In vielen Ländern, Regionen und Stadtvierteln ist 5G jedoch noch nicht flächendeckend verfügbar, um die versprochenen Vorteile tatsächlich zu bieten. Will ein Unternehmen in 5G-Technologie investieren, sollte es daher nicht nur seine eigenen Anwendungsfälle bewerten, sondern auch die Abdeckungsraten und -pläne an den Einsatzorten prüfen.

Die Marktrecherche schafft Relevanz

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Erinnern Sie sich an Google Glass? Das viel gehypte und sehr teure intelligente Gadget, das 2013 auf dem B2C-Markt eingeführt wurde? Es ist aus vielen Gründen kläglich gescheitert. Meiner bescheidenen Meinung nach war der Misserfolg deshalb so überraschend, weil die Early Adopters zu präsent in den Medien waren und dadurch die Bedenken und Anforderungen der Mehrheit durch ihre übergreifend positive Berichterstattung künstlich minimiert hatten. Der hohe Preis sowie zahlreiche Sicherheitsbedenken taten ihr Übriges.

 

Doch obwohl es Google Glass nicht mehr gibt, floriert die Technologie. Google Glass selbst wird inzwischen hauptsächlich an Unternehmen zur Optimierung des Arbeitsplatzes verkauft. Darüber hinaus inspiriert es die Forschung im Gesundheitsbereich.

So stellte Google 2022 eine neue Version der Brille vor, die verschiedene Sprachen mittels Natural Language Processing in Echtzeit als Text darstellen und auch übersetzen kann.

Zum Vergleich:

2013 bestand die Marketingbotschaft von Google Glass darin, dass Nutzer:innen Fotos schießen und sie per E-Mail oder über soziale Medien mit der Brille versenden konnten, Funktionalitäten, die schon damals jedes Smartphone leisten konnte.

2022 konzentriert sich die Marketingbotschaft derweil auf Barrierefreiheit. Die Brille kann dazu beitragen, Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander zu verbinden, Sprachbarrieren zu überwinden und die Zugänglichkeit für Menschen mit Hör- und/oder Sprachbehinderungen zu verbessern. Sie kann Menschen unterstützen, in lauten Umgebungen wie Baustellen, Flughäfen usw. klar miteinander zu kommunizieren und sie kann Menschen beim Lernen einer neuen Sprache helfen. Der Mehrwert ist nicht nur größer, sondern basiert auf tatsächlichen Bedürfnissen vieler verschiedener Zielgruppen.

 

Fazit: Neugierig sein, gründlich sein, pragmatisch sein, kreativ sein

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Seien Sie neugierig - Halten Sie Ausschau nach neuen Trends, erweitern Sie Ihren Horizont und bleiben Sie interessiert an neuen Technologien, Plattformen und kulturellen Trends, da diese oft auch auf Veränderungen im Verhalten und in der Weltanschauung von Menschen hinweisen können.

Seien Sie gründlich - Wenn etwas Ihr Interesse geweckt hat, sollten Sie sich mit der Recherche befassen. Schauen Sie über die einprägsamen Schlagzeilen und Influencer:innen hinaus und befassen Sie sich mit Marktanalysen, existierenden Anwendungsfälle und dem Entwicklungsstand.

Seien Sie pragmatisch - Ausblicke und Prognosen können als grober Trendindikator hilfreich sein, aber die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass ein Virus, ein Krieg oder sogar ein festgefahrenes Schiff in einem Kanal alles durcheinanderbringen und die Märkte für Jahre verändern kann. Seien Sie realistisch, wenn Sie Pläne machen, richten Sie sie auf Ihren Markt, Ihre Kund:innen, Ihr Unternehmen, Ihre Interessengruppen aus und betrachten Sie das Hier und Jetzt, wenn es um Anwendungsmöglichkeiten geht.

Seien Sie kreativ - Es ist an der Zeit, über den Tellerrand zu schauen, sobald Sie die Funktionsweise und die Realitäten einer neuen Technologie kennen. Nicht jeder Anwendungsfall ist klar umrissen. Manchmal ist es hilfreich, eine Vielzahl von Personen einzubeziehen, um Anwendungsfälle zu finden, die Ihren Arbeitsplatz, Ihre Kund:innenreisen oder sogar Ihr Portfolio verändern können.

DIGITALL unterstützt Sie auf diesem Weg: Unsere Expert:innen kombinieren technologisches, strategisches und Branchen-Know-how, um Anwendungsfälle zu bewerten, Roadmaps zu erstellen und neue Technologien so zu implementieren, dass sie zu Ihrem Unternehmen passen. Erfahren Sie mehr.