Digitale Transformation, Globalisierung, Informationszeitalter und Generationswandel - was macht den Arbeitsplatz der Zukunft aus und wie können Führungskräfte ihn effektiv für ihre Mitarbeitenden gestalten?
Inhalt
"New Work soll Menschen erlauben, zumindest teilweise etwas zu tun, was sie wirklich tun wollen und woran sie glauben"
(Frithjof Bergmann, Philosoph und Initiator des New Work-Konzepts).
Bergmann kam in den späten 70ern und frühen 80ern auf die Idee, die wachsende Automatisierung von Prozessen positiv zu nutzen und zwar als Ansporn, klassische Arbeitsmodelle neu zu überdenken. Was also bereits seit mehr als 40 Jahren regelmäßig im Kontext von Arbeitskultur und -räumen diskutiert wird, bleibt auch weiterhin ein spannendes Thema.
Durch diverse teilweise organische, aber auch disruptive Entwicklungen (z.B. der globalen Pandemie) hat sich das Verständnis von Arbeit, aber auch das Konzept des idealen Arbeitsplatzes maßgeblich verändert. Doch was bedeutet das für Unternehmen und Organisationen? Was ist "New Work" im Jahr 2022?
(Ein spannendes Interview mit Bergmann zum Thema können Sie übrigens hier nachlesen)
Neben den großen politisch-gesellschaftlichen Konzepten von New Work ist es auch an Unternehmen selbst, die Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Mitarbeitenden, aber auch Partner und Kunden zu erfragen und zu unterstützen. Gerade im aktuellen digitalen Informationszeitalter gibt es nicht nur genug Information, sondern auch zahlreiche Tools und Plattformen, um Arbeiten flexibler, innovativer und kollaborativer zu gestalten.
In diesem Beitrag möchte ich auf drei Bereiche von New Work eingehen, die das Arbeiten ausmachen: Arbeitsplatz & Arbeitszeit, Technologie und Kultur.
Um das Thema nicht zu komplex zu diskutieren, werde ich mich auf das klassische Büro bzw. die Arbeit am Computer konzentrieren, da gerade diese Arbeitsumgebung besonders vom digitalen Wandel betroffen ist.
Arbeitsplatz & Arbeitszeit - Büro oder Home Office, Großraum, Cubicle oder das eigene Büro? Wie beeinflusst die Arbeitsumgebung das Arbeiten? Welchen Einfluss haben Büromöbel, Platz und die Atmosphäre? Und wie viel Zeit muss oder darf man auf Arbeit verbringen?
Technologie - Fax oder WhatsApp, Digital Workplace oder Excel-Sheet? Welchen Einfluss hat Technologie auf das Arbeiten, warum sind nicht alle Mitarbeitenden froh über digitale Prozesse und wie mobil, individuell und flexibel muss und darf es sein?
Kultur & Purpose - Kultur betrifft oft das ganze Unternehmen, kann jedoch je nach Standort, Team und Hierarchie unterschiedlich wahrgenommen werden. Was motiviert Mitarbeitende auf Arbeit? Wie sieht eine Unternehmenskultur aus, die Mitarbeitenden gut tut?
Davon ausgehend, dass der Mensch ca. 1/4 (und mehr) seines Tages auf Arbeit verbringt, ist die Arbeitsumgebung ein wichtiger Faktor für die Mitarbeitendenzufriedenheit. So wichtig das Thema ist, so oft wird es im Kontext des "Großen Ganzen" ein wenig vernachlässigt.
58% aller Mitarbeitenden wünschen sich gute Luft am Arbeitsplatz.
Studien zeigen, dass Mitarbeitende gar nicht so anspruchsvoll sind, Unternehmen jedoch oft in den grundlegendsten Bedürfnissen Nachholbedarf haben. Einer Umfrage der Harvard Business Review zufolge legen Mitarbeitende am Arbeitsplatz vor allem Wert auf:
Diese grundlegenden Bedürfnisse haben tatsächlich einen enormen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Produktivität der Mitarbeitenden. Die falsche Beleuchtung, ein zu heißes oder zu kaltes Büro oder stickige Luft können zu Müdigkeit, Migräne und Schwindel führen. Im schlimmsten Fall können anhaltende Probleme chronische Krankheiten verursachen.
Wie die Harvard Business Review herausgefunden hat, sind übrigens sogenannte "Perks", also Vorteile wie Kicker, Fitnessräume oder Konsolen für das Leben der Mitarbeitenden gar nicht so wichtig. Es scheint als wäre das allgemeine Wohlbefinden langfristig wichtiger als eine Runde Ping Pong zur Mittagspause.
Auch die Akustik spielt eine maßgebliche Rolle, insbesondere in Großraumbüros. Der Trend zum geteilten Workspace, der von vielen großen, innovativen Unternehmen gefeiert wird, widerspricht einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien. So kann der Lärmpegel in einem Großraumbüro enormen Stress verursachen, die Konzentration beeinflussen und so auch die Produktivität einschränken.
Mehr noch, eine Studie der Harvard Business School aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass Mitarbeitende sich in Großraumbüros seltener unterhalten, als in kleinen Büroräumen. Der Grund: durch den konstanten Lärm schotten sich die Mitarbeitende eher ab, nutzen Kopfhörer und brauchen mehr Abstand von anderen, um sich zu erholen.
Da der Arbeitsplatz auch einen individuellen Raum darstellt, der im Idealfall auch personalisiert werden kann, sorgt ein Großraumbüro oft dafür, dass die individuellen Grenzen überschritten werden. Das bedeutet übrigens nicht, dass Konzepte für flexible Arbeitsplätze keine Zukunft haben. Insbesondere in Unternehmen, in denen Mitarbeitende häufig unterwegs sind oder wahlweise zuhause arbeiten, lohnen sich frei wählbare Arbeitsplätze.
Diese sollten jedoch im Idealfall zusätzlich zu festen Arbeitsplätzen angeboten werden, so dass die Mitarbeitenden, die täglich im Büro sind, sich auch "zuhause" fühlen. Zusätzliche Ruhe- und Konferenzräume helfen außerdem, um verschiedene Arbeitsweisen und Kommunikationsformen zu berücksichtigen.
Statista zufolge bieten mittlerweile durchschnittlich vier von zehn Unternehmen Home Office-Optionen an.
Studien belegen derweil, dass die Arbeit von zuhause oft produktiver ist als im Büro. Mitarbeitende können sich die Zeit selbst einteilen und werden nicht so oft gestört, wie im normalen Bürobetrieb. Unternehmen müssen dennoch aufpassen, dass das Home Office keinen negativen Einfluss auf die Work/Life-Balance der Mitarbeitenden hat. Die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben fällt oft schwerer, wenn die Arbeit im privaten Raum verrichtet wird.
Zusätzlich müssen Unternehmen sichergehen, dass sich die Mitarbeitenden im Home Office dennoch als Teil des Unternehmens sehen und auch sozial eingebunden werden. Work-Chats, virtuelle Meetings und andere Kommunikationsoptionen sind dabei jedoch mittlerweile fortgeschritten genug, um das Home Office aus der Isolation herauszuholen.
Work/Life-Balance spielt aktuell eine große Rolle bei vielen Unternehmen und Arbeitnehmern. Dazu gehört auch, dass sich Unternehmen auf unterschiedliche Lebensmodelle einrichten. Für immer mehr Menschen ist es wichtig, etwa bei der Familienplanung die Möglichkeit zu haben, ihre Arbeitszeit freier einzurichten. Neben anderen Arbeitszeitmodellen spielt mittlerweile auch eine Rolle, wie sehr die Arbeit ins Privatleben eindringt und ob die 40-Stunden-Woche wirklich immer notwendig ist.
Unternehmen müssen aktiv auf Mitarbeitende zugehen und fragen, was sie bei ihrer Arbeit unterstützen kann und wie sich diese Maßnahmen umsetzen lassen. Und ein wenig Kreativität schadet auch nicht. Eine App, die auf Staus hinweist oder anderweitig die Überlegung erleichtert, ob sich das Home Office lohnt oder nicht, kann wahre Wunder bewirken.
In einer umfassenden Studie (PDF), in der 12.000 Arbeitnehmer:innen aus acht Ländern und über alle Hierarchiestufen weg befragt wurden, stellte PWC die Frage, wie Technologie im Arbeitsalltag geplant, eingeführt und genutzt werden kann.
Eine der wohl wichtigsten Hauptaussagen spiegelt wider, was sich in anderen Aspekten des digitalen Wandels bereits gezeigt hat: das Management sieht die technologische Entwicklung oft positiver als Angestellte, die weiter unten in der Hierarchie stehen. 90% aller C-Suite Manager sind davon überzeugt, dass ihr Unternehmen den Bedarf der Mitarbeitenden stark in die Implementierung neuer Technologien einbezieht. Nur 53% aller befragten Mitarbeitenden sind derselben Meinung. Doch was wollen Mitarbeitende, wenn man sie direkt fragt?
Durchschnittlich würden Angestellte freiwillig bis zu 15 Stunden im Monat für die Einarbeitung in neue, digitale Anwendungen und Skills investieren. Doch diese Zeit muss ihnen auch zur Verfügung stehen. Zusätzlich müssen die entsprechenden Trainingsmaterialein bereitstehen. Unternehmen sind hier in der Herausforderung, Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen, die nicht nach dem Arbeitstag genutzt werden sollen, sondern die in den Arbeitstag integriert werden.
Zusätzlich sollten Mitarbeitende von Anfang an in Technologie-Projekten eingebunden sein, um zu gewährleisten, dass die Benutzer:innenfreundlichkeit auf ihre Bedürfnisse hin optimiert wird. So können Trainingsaufwände reduziert werden und die Motivation steigt, sich auf die neuen Systeme und Tools einzulassen.
Die menschliche Interaktion ist nicht nur für Kund:innen, sondern auch für viele Mitarbeitende wichtig. Je mehr das Individuum durch digitale Fortschritte von der direkten Interaktion mit anderen Menschen getrennt wird, desto negativer kann sich das auf das Arbeiten auswirken. So wollen knapp 45% weiterhin direkt mit Kolleg:innen kommunizieren, dem HR-Team direkt Fragen stellen und Performance Reviews in Person abhalten.
Insbesondere bei sensiblen oder komplexen Themen wird die persönliche Kommunikation bevorzugt.
Bei Themen, die eher einen administrativen Charakter haben (Urlaubsanträge, Personalinformationen aktualisieren, IT-Support) werden digitale Assistenten sogar von knapp jedem zweiten Angestellten bevorzugt. Auch Trainings sind übrigens sehr beliebt auf digitalen Kanälen, was daran liegen könnte, dass sie etwas mehr Flexibilität in der Durchführung bieten.
Der menschliche Kontakt ist also auf einem sozialen Level notwendig und spielt bei Themen eine größere Rolle, die sensibel und/oder komplex sind. Digitale Unterstützung wird bei vielen (sich wiederholenden) administrativen Aufgaben gewünscht, jedoch nur dann, wenn die digitale Lösung auch wirklich hilfreich ist. Digitale Prozesse werden besonders dann Willkommen geheißen, wenn Prozesse dadurch schneller verlaufen und Informationen genauer vermittelt werden können.
Aktuell haben jedoch noch 61% aller Anwender:innen das Gefühl, zu viel Zeit in Systeme zu investieren, um einfache Aufgaben zu erledigen.
Warum wollen Angestellte sich in neue Technologien einarbeiten? Und warum sollten sie? Diese beiden Fragen sollten idealerweise dieselbe Antwort haben, doch nicht immer finden sie zusammen. PWC unterscheidet hier Verhaltensweisen und Arbeitsmotivationen.
Nun ist es nicht immer Aufgabe der Angestellten, sich selbst zur Weiterbildung zu motivieren. Unternehmen müssen vielmehr Mittel und Wege finden, frühzeitig die verschiedenen Motivationsstufen zu berücksichtigen und Bedürfnisse zu erkennen. Change Management spielt eine wichtige Rolle und zwar nicht als Fußnote nachdem Prozesse digitalisiert wurden, sondern unmittelbar vom ersten Impuls bis zur Anwendung. Das heißt, dass der Einsatz neuer Technologien nutzer:innenzentriert gedacht werden muss.
Welchen Vorteil haben Angestellte in der digitalen Transformation? Welche Software, welche Apps und welche Geräte sind wirklich notwendig und gewünscht, um den Arbeitsalltag zu erleichtern? Welche Pain Points haben Ihre Angestellten und wie können diese gelöst werden? Je mehr der Einsatz von Technologie nicht nur das Kund:innen-, sondern auch Angestelltenerlebnis optimieren kann, desto höher ist auch die Akzeptanz.
In einem älteren Beitrag habe ich bereits über die Notwendigkeit des "Purpose" (Zwecks) beim Arbeiten geschrieben. Nun lassen sich Bände mit der Definition und dem Hintergrund eines Purpose schreiben. Es scheint unmöglich, in einem Unternehmen, das aus mehr als drei Leuten besteht, jedem genau das zu bieten, was das Individuum für sich als erfüllend versteht.
Doch wie der Software-Anbieter Slack in einer Umfrage herausgestellt hat, geht es weniger darum, den Lebenstraum jedes einzelnen Angestellten zu erfüllen, sondern die Grundlagen dafür zu legen, dass jeder im Unternehmen sein Potenzial erkennt, weiterbilden und ausschöpfen kann.
Slack nennt dies "Aligned Worker", also Mitarbeitende, die auf einer Linie mit dem Unternehmen sind:
"Sie fühlen sich verbunden mit der Unternehmensvision und Strategie. Durch dieses Wissen können sie ihre individuelle Arbeit mit einem optimistischen Zweck angehen und fühlen sich gestärkt, eigenständig zu handeln."
Mitarbeitende, die nicht auf einer Linie mit ihrem Unternehmen sind, haben derweil keine Verbindung zu den Unternehmenszielen und sehen der Zukunft eher pessimistisch entgegen. Sie arbeiten in Silos und fühlen sich wenig gestärkt darin, Chancen zu ergreifen.
Doch wie gelingt ein "Alignment"?
Kommunikation und Transparenz stehen dabei ganz zentral. Unternehmen müssen ihre Ziele, ihre Werte, ihren Purpose und ihre Strategie an ihre Mitarbeitenden (und andere Stakeholder) klar kommunizieren und transparent mit Strategiewechseln umgehen. Je besser Mitarbeitende ihre eigene Arbeit in das große Ganze einordnen können, desto klarer können sie eigene Entscheidungen fällen.
Neben dem Alignment spielt jedoch auch der Umgang im Unternehmen, mit Kund:innen und mit Partnern eine Rolle. Unternehmensleitplanken liefern grundlegende Verhaltensregeln, an denen sich Mitarbeitende orientieren können.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Unternehmensmodelle, in denen die klassische Hierarchie neu gedacht, oder etwa in Fällen wie der Holacracy-Methode völlig aufgelöst wird. Ob und wie ein Organisationsmodell passt, hängt oft mit der bestehenden Struktur, Kultur, der Branche und dem Geschäftsmodell ab.
Bill Gates hat mal gesagt, dass die Digitalisierung keine schlechten Prozesse retten kann. Ähnlich kann man es mit der Unternehmenskultur sehen. Ein neues Organisationsmodell rettet kein Unternehmen, wenn es grundlegende Probleme darin hat, Mitarbeitende glücklich zu machen.
Michael C. Bush nennt im TED-Video "This is what makes employees happy at work" vier Aspekte, die eine große Rolle in der Unternehmenskultur spielen:
Vertrauen und Respekt: Michael C. Bush zitiert das Motto der Hotelkette Four Seasons: "Tu, was immer Du für richtig hältst, um die Kund:innen zu betreuen." Mitarbeitende brauchen das Vertrauen, eigene Entscheidungen zu fällen und innovative Ideen umzusetzen.
Fairness: Mitarbeitende wollen unabhängig von ihrer Rolle, ihrem Gehalt, ihrem Alter, ihrem Geschlecht, etc. fair behandelt werden.
Interesse: Mitarbeitende wollen teilhaben am Unternehmenserfolg. Dazu gehört auch, dass insbesondere Vorgesetzte wirklich zuhören und evaluieren, wenn sie Ideen präsentiert bekommen. Zuhören bedeutet also nicht nur, zuzuhören, sondern das Gehörte auch als valide Meinung zu respektieren und zu reflektieren.
Wandel: Der Wunsch, etwas zu verändern, sollte aus einer Motivation heraus erfolgen, nur dann gelingt der Wandel. Je besser Mitarbeitende den Sinn eines Wandels verstehen - und zwar für sich und das Unternehmen - desto eher werden sie ihn akzeptieren oder sogar befürworten.
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