Im Digital Economy and Society Index (DESI) belegt Portugal Platz 16 und liegt damit im Mittelfeld. Doch der Durchschnittswert trügt, schaut man auf die einzelnen digitalen Bereiche.
Info: Der Digital Economy and Society Index (DESI) fasst Indikatoren zur digitalen Leistungsfähigkeit Europas zusammen und verfolgt die Fortschritte der EU-Länder. Er deckt Themen wie Infrastruktur, Bildung, öffentliche Dienstleistungen sowie digitale Strategien der Wirtschaft ab (mehr dazu hier).
Inhalt:
Das DESI-Ranking für Portugal (Quelle) zeigt, dass der erste Eindruck trügen kann. Trotz eines eher durchschnittlichen 16. Platzes hat Portugals digitale Landschaft einige beeindruckende Stärken.
Bei näherer Betrachtung des DESI-Berichts gibt es eigentlich keinen der vier Schlüsselbereiche (Humankapital, Konnektivität, Integration digitaler Technologien und digitale öffentliche Dienste), der insgesamt schwach ist. Stattdessen hat Portugal neben grundsätzlich durchschnittlichen Werten herausragende Stärken und Schwächen, die sich gegenseitig im Durchschnittswert ausgleichen.
Was das digitale Know-how sowohl in der Bevölkerung als auch bei der Ausbildung von IKT-Fachleuten (Informations- und Kommunikationstechnik) betrifft, liegt Portugal bei den digitalen Grundkenntnissen und Softwarekenntnissen leicht unter dem europäischen Durchschnitt.
Auffallend ist auch, dass Portugal zwar nur 0,3% weniger IKT-Beschäftigte hat als der europäische Durchschnitt, dafür aber 1,6% weniger IKT-Absolvent:innen. Auch wenn die Zahl der IKT-Hochschulabsolvent:innen seit 2017 langsam ansteigt, scheint es entweder weniger Interesse oder zu wenige akademische Angebote zu geben.
Bei der Vernetzung ist Portugal im Allgemeinen stark, hat aber massive Defizite bei der 5G-Abdeckung und -Planung. Derzeit ist dies vielleicht kein großes Problem, da sich die 5G-Technologien noch in der Entwicklung befinden. Doch die digitale Transformation ist ein Marathon, bei dem eine gute Vorbereitung oft den Unterschied macht.
Mit 0% 5G-Abdeckung in besiedelten Gebieten (im Vergleich zu 14% EU-weit) und 8% Readiness (im Vergleich zu 51% EU-weit) muss Portugal große Sprünge in Richtung 5G-Technologie machen.
Eine der interessantesten Lücken existiert sowohl bei der Integration digitaler Technologien (z. B. in der Wirtschaft) als auch bei den digitalen öffentlichen Diensten.
Portugal könnte im Ranking insgesamt viel besser abschneiden, wenn es nicht bei einzelnen Themen große Lücken zum europäischen Durchschnitt gäbe, etwa bei elektronischen Rechnungen in Unternehmen (17% Nutzungsrate im Vergleich zu 32% in der EU) oder der Nutzung von Open Data für öffentliche Dienstleistungen (nur 48%, der EU-Durchschnitt liegt bei 78%).
Entweder sind diese Themen für portugiesische Unternehmen und öffentliche Dienste nicht so relevant oder die Akzeptanz für diese Technologien ist nicht hoch genug. Da es sich bei beiden Themen um eher sensible Bereiche handelt (Transparenz und Vertrauen), ist Letzteres sehr wahrscheinlich.
Neben einigen wenigen Schwachpunkten und mehrheitlich Werten, die meist leicht unter oder leicht über dem europäischen Durchschnitt liegen, hat Portugal auch einige digitale Bereiche, die sich markant hervorheben.
63% aller portugiesischen Haushalte verfügen über einen festen Breitbandanschluss von mindestens 100 Mbit/s, was fast doppelt so hoch ist wie der europäische Durchschnitt. Auch die Netzabdeckung mit sehr hoher Kapazität (VHCN) liegt bei 87% im Vergleich zu 59% EU-weit. Portugal verfügt also trotz seiner mangelnden 5G-Readiness über ein breiteres Netz mit schnellem Internet, das Bürger:innen sowie Unternehmen viel mehr ermöglicht als in anderen europäischen Ländern.
Ein weiterer positiver Ausreißer ist Portugals Einsatz von IKT für mehr Nachhaltigkeit. 86% der Unternehmen setzen IKT für "grüne Maßnahmen" ein, verglichen mit 66% EU-weit. Dies sollte niemanden überraschen, der die Umweltstrategie Portugals im Allgemeinen kennt. 2020 trat das Land der Bewegung "Digital With Purpose" bei (Quelle: gesi.org) und auch insgesamt ist die portugiesische Politik sehr auf Umweltthemen fokussiert. In einem Länderbericht der Europäischen Umweltagentur aus dem Jahr 2015 hob sich Portugal hinsichtlich der Nutzung und Entwicklung erneuerbarer Energien sowie der Verringerung seiner Treibhausgasemissionen hervor (Quelle: eea.europea.eu).
Wie bei den Netzanschlüssen schneidet Portugal auch beim Angebot zugänglicher digitaler Dienste und Ressourcen relativ gut ab. Das Land verwendet mehr vorausgefüllte Online-Formulare und bietet mehr digitale Dienste an als die meisten anderen Länder, liegt aber leicht unter dem durchschnittlichen Nutzerwert. Offenbar haben die Menschen, ähnlich wie in Rumänien, alle notwendigen Ressourcen, um voll digital zu sein, nutzen sie aber nicht.
Portugal scheint sich seiner Lücken durchaus bewusst zu sein, wenn man sich die vielen Initiativen ansieht, die nicht nur Weiterbildung zum Ziel haben, sondern auch Ausbildungsprogramme für verschiedene Kompetenzen und Branchen anbieten. Diese Pläne richten sich an Berufstätige, Unternehmer und jüngere Arbeitslose und stellen sicher, dass die Zahl der digitalen Arbeitskräfte in den kommenden Jahren wachsen wird.
Da es in Portugals digitaler Strategie eher darum geht, Lücken zu schließen, wird es interessant sein, die Entwicklung in den nächsten Jahren zu beobachten. Das Land muss sein gesamtes digitales Know-how insbesondere bei Arbeitskräften ausbauen, um sowohl die lokalen Unternehmen als auch die Akzeptanzrate für digitale Lösungen zu stärken.
Der hohe Grad der IKT-Nutzung für Nachhaltigkeit könnte eine perfekte Grundlage für innovative Lösungen und Dienstleistungen sein. Diese haben ein enormes Geschäftspotenzial, da sie immer stärker nachgefragt werden. CSR und nachhaltige Unternehmen sind mittlerweile eng mit Markenbildung, Mitarbeitendenbindung und Kund:innenbeziehungen verknüpft.
Da sich mit 5G ein neues Internetzeitalter ankündigt, ist es für das Land höchste Zeit, in 5G-Netze und -Technologien zu investieren und diese (weiter) zu entwickeln. Da das DESI bereits andeutet, dass das Land nur wenige Entscheidungen von weiteren Investitionen in 5G entfernt ist, scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Portugal die nächste Generation von Breitbandverbindungen ins Visier nimmt.
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