Spotlight Bulgarien: Liegt die digitale Zukunft im KI-Bereich?

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7 Minuten Lesezeit

Bulgarien rangiert im Gesamtindex für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) auf den hinteren Plätzen. Doch einige gezielte Stärken und ein zunehmend positives Image der lokalen IKT-Services sind vielversprechend für die Zukunft.

Content: 

  1. Die Schwächen: Geringe Akzeptanz und Bildung
    1. Die Netzabdeckung muss ausgeweitet werden
    2. Nur wenige Unternehmen sind vollständig digital
  2. Stärken: IKT-Expertinnen und KI-Stärke
    1. 5G-Bereitschaft hat 2020 einen großen Schritt gemacht
    2. Bulgarien ist stark in der KI-Entwicklung
  3. Zusammenfassung: Ein Potenzial für große (digitale) Schritte der Zukunft

Dem DESI-Bericht zufolge (Quelle: Europäische Kommission) liegt Bulgarien unter allen europäischen Ländern auf Platz 26 (neben Griechenland). Obwohl der digitale Status quo in fast allen Kategorien des Berichts unter dem europäischen Durchschnitt liegt, gibt es klare Anzeichen dafür, dass das Land zu einer schnellen Transformation fähig ist und den globalen Trend zu mehr digitalen Lösungen als Sprungbrett für seine eigene digitale Emanzipation nutzen kann.

Die SChwächen: Geringe Akzeptanz und Bildung

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Die Bevölkerung verfügt insgesamt über weniger digitale Fähigkeiten als der europäische Durchschnitt. Nur 29% verfügen über digitale Grundkenntnisse im Vergleich zu 56% in der EU. Vor allem die IKT*-Schulungen der Unternehmen für ihre Mitarbeitenden könnten umfangreicher sein, denn nur 7% bieten sie an, verglichen mit 20% in der EU.

*IKT = Informations- und Kommunikationstechnologien

Zusätzlich gibt es in Bulgarien nicht so viele IKT-Spezialist:innen unter den Beschäftigten wie in den meisten anderen europäischen Ländern. Nur 3,3% sind in diesem Bereich tätig. Dies ist umso überraschender, weil der IKT-Sektor in Bulgarien in den letzten Jahren gewachsen ist. Mehr noch, Bulgarien hat generell einen guten Ruf als IKT-Dienstleister, insbesondere wenn es um Nearshore-Angebote geht.

Obwohl die Zahl der IKT-Absolvent:innen sogar leicht über dem europäischen Durchschnitt liegt, mangelt es dem Land also an Fachkräften. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die Absolvent:innen den bulgarischen Arbeitsmarkt verlassen, weil die Karrieremöglichkeiten in anderen Ländern attraktiver sind.

Bestärkt wird diese These durch die Tatsache, dass nur wenige Unternehmen IKT-Weiterbildungen für ihre Mitarbeitenden anbieten. Gerade Fachkräfte könnte dies abschrecken, da die Branche sich fortwährend transformiert und "lebenslanges Lernen" quasi zum Job dazugehört.

Die Netzabdeckung muss ausgeweitet werden

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Die bulgarische 4G-Netzabdeckung ist mit 99,9% nahezu perfekt (im Vergleich zu 99,7% in der EU), aber sowohl die Abdeckung mit schnellen Breitbandnetzen als auch mit Netzen mit hoher Kapazität liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt. Hier muss Bulgarien schnell aufholen. Andere Länder, die weiter hinten im Ranking liegen (z.B. Portugal und Rumänien) haben zwar eine geringe Internet-Nutzung in der Bevölkerung und bei Unternehmen sowie Organisationen, sind jedoch im Bereich Abdeckung weit über dem Durchschnitt.

Bulgarien muss die Netzabdeckung verbessern, um wettbewerbsfähig zu sein und die Bevölkerung zu motivieren, Internetdienste zu nutzen, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die Abdeckung sehr gering ist.

Bulgariens umfangreiche Programme, Schüler:innen und sogar Lehrpersonal Hardware zu finanzieren, könnte die geringe Akzeptanz auch an zu hohen Nutzungskosten liegen. Zwar liegt Bulgarien bei den Internetkosten im europäischen Vergleich auf Platz fünf und ist damit sehr günstig, doch können Hardware wie Smartphones, Laptops und PCs  eine teure Hürde darstellen, besonders dann, wenn die Internetnutzung im Privat- wie Arbeitsleben keine große Rolle spielt.

Nur wenige UNternehmen sind  vollständig digital

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Die Nutzung und Akzeptanz digitaler Dienste hängen fast immer vom Umfang und der Qualität der angebotenen Dienste ab. In dieser Hinsicht hat Bulgarien leider einen großen Nachholbedarf gegenüber dem europäischen Durchschnitt. Kaum ein Unternehmen in Bulgarien nutzt digitale Services, Plattformen und Kanäle. So haben nur 10% soziale Medien integriert (im Vergleich zu 23% in der EU). Nur 8% nutzen die Cloud (im Vergleich zu 26% in der EU). Elektronische Rechnungen, grenzüberschreitender Online-Verkauf und E-Commerce-Lösungen liegen ebenfalls weit unter dem Durchschnitt.

Auch die Akzeptanz und das Angebot an digitalen öffentlichen Diensten ist unterdurchschnittlich, wenn es um E-Government-Nutzer:innen, die Verfügbarkeit von vorausgefüllten Formularen und digitale öffentliche Dienste für Bürger:innen geht. Nur jede dritte Person nutzt E-Government-Optionen in Bulgarien im Vergleich zu 64% in der EU.

Es ist gut möglich, dass Bulgarien ein Henne-Ei-Problem hat in Bezug auf fehlende Dienstleistungen und mangelnde Akzeptanz digitaler Dienstleistungen. Wenn viele Unternehmen, aber auch öffentliche Dienste nicht genügend digitale Funktionen anbieten, werden die Menschen nicht die Notwendigkeit sehen, das Internet häufig zu nutzen oder sich digital weiterzubilden. Das wiederum hält die Zahl der digitalen Nutzer:innen niedrig, was ein Grund dafür sein könnte, dass Unternehmen und öffentliche Dienste nicht so viele digitale Funktionen anbieten.

Aber werfen wir auch einen Blick auf die positiven Ergebnisse des DESI-Berichts, denn es gibt viel Potenzial für ein künftiges Wachstum.

STärken: IKT-ExpertInnen und KI-Stärke

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Fast jede dritte IKT-Fachkraft in Bulgarien ist weiblich, was deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegt (28% vs. 19%). Tatsächlich ist Bulgarien - neben Rumänien, Griechenland und Dänemark - eines der fortschrittlichsten europäischen Länder, wenn es um Frauen im IKT-Sektor geht, mit einer hohen Anzahl von Spezialistinnen und attraktiven Arbeitsbedingungen (Quelle: emerging-europe.com).

In Verbindung mit der Tatsache, dass die Zahl der IKT-Absolventinnen in Bulgarien sogar leicht über dem EU-Durchschnitt liegt, könnte dies eine großartige Gelegenheit sein, Bulgarien als Vorzeigeland zu etablieren, wenn es um die Unterstützung, Befähigung und Ausbildung von weiblichen IKT-Fachkräften geht.

5G-Bereitschaft hat 2020 einen grossen Schritt gemacht

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Ein Detail im Bericht, das wie ein Nachteil aussehen mag, aber auch positiv gelesen werden kann, ist die 5G-Bereitschaft. Dies ist ein entscheidender Faktor für die künftige Netzgeschwindigkeit und Konnektivität, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) und dem Internet der Dinge.

Im Jahr 2020 lag die 5G-Bereitschaft Bulgariens bei 0%. Im Jahr 2021 lag sie bei 25%, was ein großer Schritt ist, auch wenn der EU-Durchschnitt mit 51% mehr als doppelt so hoch ist. Diese große Veränderung ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass das Land Maßnahmen zum Aufbau von Netzen genehmigt und geplant hat. Behält Bulgarien dieses Tempo in der Entwicklung bei, so wird es schnell zu seinen Nachbarn aufschließen können.

Bulgarien ist stark in der KI-Entwicklung

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Zu guter Letzt ist die Nutzung und Entwicklung digitaler Dienste in bulgarischen Unternehmen und öffentlichen Diensten zwar insgesamt unterdurchschnittlich, weist aber einige Highlights auf. Im Jahr 2020 hat Bulgarien den Vertrag für die Beschaffung eines neuen Supercomputers im Sofia Tech Park unterzeichnet und eine langfristige KI-Strategie zur "Unterstützung der Analyse der Umweltqualität und des Managements von Naturkatastrophen" entwickelt. Der Supercomputer soll in den Bereichen Pharmazie, Biochemie, Mechanik, Quantenchemie und zur Überwachung des Klimawandels eingesetzt werden". Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Einsatz von KI in Unternehmen in Bulgarien mit 31% gegenüber 25% über dem EU-Durchschnitt liegt.

Wenig überraschend ist somit auch der Einsatz von IKT für mehr Nachhaltigkeit leicht über dem Durchschnitt. Wie bereits im Spotlight-Beitrag zu Portugal erwähnt, wird dieses Thema zukünftig an Bedeutung zunehmen, weshalb ein früher Vorsprung langfristig enorme Wettbewerbsvorteile mit sich bringen kann.

Sowohl im Bereich offener Daten im öffentlichen Dienst als auch bei digitalen öffentlichen Services für Unternehmen zeigt Bulgarien Stärke. Darüber hinaus gehörte Bulgarien zu den ersten Ländern in der EU, die digitale Zertifikate für COVID-Impfungen anboten, wodurch sich der Papierkram verringerte und es für die Bürger einfacher wurde, ihren Impfnachweis zu erhalten.

Zusammenfassung: Ein Potenzial für grosse (digitale ) Schritte der Zukunft

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Nachdem ich bereits einige DESI-Berichte für die Spotlight-Reihe analysiert habe, kann ich mit Sicherheit sagen, dass der Gesamtrang nur selten ein vollständiges Bild vom digitalen Potenzial eines Landes vermittelt. Auch wenn Bulgarien auf den letzten Plätzen liegt, zeigt es Stärken in bestimmten Bereichen, die Leuchtturmprojekte für die gesamte EU sein können, darunter eine sehr starke weibliche IKT-Belegschaft und die Integration von KI für ökologische und andere wissenschaftliche Zwecke.

Darüber hinaus hat sich Bulgarien einen Ruf für solide IKT-Dienstleistungen in den Bereichen Nearshore, Outsourcing und Managed Services erworben. Mit einer wachsenden IKT-Dienstleistungsindustrie innerhalb des Landes ist es sehr wahrscheinlich, dass das digitale Wachstum Bulgariens in den nächsten Jahren sprunghaft ansteigen wird, vor allem in den Bereichen, in denen das Land bereits hervorragend ist.

Die größte Herausforderung scheint die Integration digitaler Dienste sowohl im öffentlichen als auch im Unternehmenssektor zu sein. Bulgarische Unternehmen und Organisationen müssen ihre Dienstleistungen digitalisieren und ihre Geschäftsprodukte und -dienstleistungen auf digitale Kanäle ausweiten.

Insbesondere der elektronische Handel (eCommerce) und die Einführung moderner, intelligenter und benutzerorientierter Webumgebungen sind entscheidend, um nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig zu sein.

Ich bin davon überzeugt, dass dadurch gleich mehrere bestehende Lücken im DESI-Bericht geschlossen werden könnten.

  • Eine Zunahme digitaler Dienstleistungen erfordert mehr IKT-Ausbildungen und attraktivere Arbeitsbedingungen für bulgarische IKT-Expert:innen.
  • Im Gegenzug würden Schüler:innen und Student:innen eine attraktivere Zukunft in der IKT-Branche sehen.
  • Die Nachfrage nach IKT-Studiengängen und -Lehrstellen würde steigen, was wiederum zu einer Zunahme der akademischen und geschäftlichen Angebote führen würde.
  • Mit einem größeren Angebot an digitalen Diensten könnten die Kund:innen eher geneigt sein, das Internet für den Handel und andere Aktivitäten zu nutzen.
  • Wenn die Menschen das Internet häufiger nutzen, sind sie auch stärker motiviert, sich digital weiterzubilden.
  • Sobald die Handelsoptionen für den lokalen Markt eingerichtet sind, ist der Schritt auf die internationalen Märkte viel einfacher zu realisieren und kann sowohl das Publikum als auch die Geschäftsmöglichkeiten erweitern.

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von Juliane Waack

Juliane Waack ist Editor in Chief bei DIGITALL und schreibt über die digitale Transformation, Megatrends und warum eine gesunde Kultur die Basis für jedes erfolgreiche Unternehmen ist.

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