Spotlight Polen: Digitales Wachstum trifft auf zögerliche Unternehmen

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Im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) belegt Polen einen der hinteren Plätze. Aber dies wäre nicht die Spotlight-Serie, wenn wir nicht genauer hinsehen würden, um die Stärken und Schwächen auf Polens Weg zur digitalen Transformation zu finden.


Inhalt: 

Der Digital Economy and Society Index stuft die europäischen Länder anhand verschiedener Kriterien ein, die als Indikatoren für ihre digitale Bereitschaft dienen. Der Bericht für Polen kann hier heruntergeladen werden. In diesem Artikel werde ich auch einen Blick auf andere Studienergebnisse werfen, um bestimmte Themen näher zu beleuchten.

Die Stärken: Schnelles Wachstum und viele Bildungsinitiativen

Dem Bericht zufolge ist der Durchschnittswert Polens etwas schneller gewachsen als der EU-Durchschnitt, was darauf hindeutet, dass das Land aufholen kann und das Potenzial hat, bald das Niveau anderer Länder zu erreichen.

Bildungsprogramme werden ausgebaut

Es gibt zahlreiche Programme, um die Ausbildung von Lehrpersonal zu verbessern, Fernunterricht anzubieten und insgesamt die Bemühungen von Lehrer:innen und Schüler:innen zu finanzieren, um technische Geräte anzuschaffen und somit das digitale Know-how zu stärken. Diese Programme richten sich nicht nur an Kinder, sondern umfassen auch Universitäten, Ausbildungsstätten und andere Initiativen, die die Öffentlichkeit motivieren sollen, sich mit digitalen Technologien vertraut zu machen und vielleicht sogar eine Karriere im IKT-Bereich in Betracht zu ziehen.

Übrigens gibt es in den sozialen Medien einige Anzeichen dafür, dass Polen als attraktives Land für so genannte "digitale Nomaden" eingestuft wird. Darunter versteht man u.a. IKT-Fachleute, die flexible Arbeitsmodelle bevorzugen und möglicherweise sogar in Unternehmen außerhalb Polens arbeiten, sich aber als Wahlheimat Polen ausgesucht haben, da dort die Lebensbedingungen optimal sind. Das könnte langfristig die Attraktivität des Landes für IKT-Fachkräfte erhöhen.

Polen hat eine etwas höhere Verbreitung von 100-Mbit/s-Breitbandanschlüssen (auch bekannt als schnelles Internet). Die Kosten für Breitbandanschlüsse sind viel niedriger als im Rest der EU. Auch wenn die meisten Statistiken Polens unter dem EU-Durchschnitt liegen, sind die Unterschiede meist nur marginal. In Anbetracht des schnellen digitalen Wachstums könnte Polen in der Lage sein, den EU-Durchschnitt mittelfristig in etlichen Bereichen zu übertreffen. Von 2020 bis 2021 konnte Polen beispielsweise seine 5G-Abdeckung von 10% auf 34% steigern.

Open Data-Fokus

Wie bei allen Ländern gibt es auch bei den öffentlichen Dienstleistungen Höhen und Tiefen. Polens Dienstleistungen liegen weit über dem Durchschnitt, sowohl was die vorausgefüllten Formulare als auch die Nutzung von Open Data angeht. Letzteres ist besonders wichtig, da Datentransparenz notwendig ist, um Vertrauen in digitale Dienste zu schaffen und andere öffentliche Dienstleistungen auszubauen. Dem Bericht zufolge haben bereits mehr als 15 Millionen Bürgerinnen und Bürger mindestens eines der angebotenen e-ID-Profile genutzt. Zudem stieg die Nutzung des Authentifizierungsdienstes "Trusted Profile" von 2020 bis 2021 um 12% und von 2019 bis 2020 um 300%.

Große Unternehmen als digitale Botschafter

Auch wenn Polen in allen Kategorien, die die Digitalisierung der Wirtschaft betreffen, unter dem EU-Durchschnitt liegt, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass vor allem große Unternehmen (250+ Mitarbeitende) digitale Technologien viel stärker nutzen. Laut einem Forschungsbericht von Jan Hagemejer und Karolina Zubel aus dem Jahr 2020 (PDF), stellen 60% aller Unternehmen IKT-Mitarbeiter ein, fast alle haben eine Website und wickeln Verwaltungsprozesse digital ab.

Die Schwachstellen: Die Akzeptanz ist zu gering

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Polen braucht mehr IKT-Kenntnisse

Wenn es um Humankapital geht, liegt Polen in allen Kategorien unter dem EU-Durchschnitt, angefangen bei den digitalen Grundkenntnissen in der Bevölkerung bis hin zum Prozentsatz der verfügbaren IKT-Fachkräfte. Angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels, den selbst Länder mit einem hohen Ranking haben, muss Polen dafür sorgen, seine Bildungssysteme zu aktualisieren und Anreize zu finden, um Menschen zu motivieren, eine IKT-Laufbahn zu wählen.

Viele Länder, die im DESI-Index vergleichsweise niedrig rangieren, haben einen großen Schwerpunkt auf die Förderung der IKT-Ausbildung gelegt, insbesondere von Frauen. In Polen gibt es jedoch 3% weniger weibliche IKT-Fachkräfte als im EU-Durchschnitt (16% gegenüber 19%). Angesichts der zahlreichen Initiativen und Finanzierungen könnten sich diese Zahlen jedoch in den nächsten Jahren ändern.

Ländliche Infrastruktur (& Akzeptanz) muss wachsen

Polens Infrastruktur ist solide, aber es mangelt an schneller Breitbandabdeckung und an der Nutzung von Festnetz-Breitbandanschlüssen. Das bedeutet, dass schnelle Breitbandanschlüsse selten sind (78% gegenüber 90% in der EU) und weniger Bürger:innen als im EU-Durchschnitt tatsächlich an das Internet angeschlossen sind (69% gegenüber 78%).

Der Bericht spekuliert, dass die niedrigen Zahlen durch die hohe Anzahl an Menschen in ländlichen Gebieten liegen könnten (40%). Meistens ist die Internetnutzung in städtischen Gebieten höher als auf dem Land und die Entwicklung und Instandhaltung der Telekommunikationsinfrastruktur in ländlichen Gebieten ist teurer und komplexer, weshalb sie oft nachrangig priorisiert wird.

Polnische Unternehmen tun sich schwer mit der Einführung der Digitalisierung

So schwer es mir fällt, das zu schreiben, Polen rangiert in allen 11 Kategorien des wirtschaftlichen Status quo bezüglich der Digitalisierung unter dem europäischen Durchschnitt. Meistens sind es nur wenige Punkte, aber vor allem das grundlegende Niveau der digitalen Intensität in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die Nutzung von sozialen Medien, Cloud, KI, elektronischen Rechnungen und eCommerce-Umsätzen ist aktuell zu gering.

Besorgniserregend ist auch, dass nur 18% der Unternehmen IKT-Schulungen anbieten (EU-Durchschnitt: 20%), da ihre eigene digitale Bereitschaft eng mit dem internen Know-how und den Ressourcen verbunden ist.

Einer der Gründe dafür könnte darin liegen, dass laut Hagemejer und Zubel 99% aller polnischen Unternehmen klein und mittelgroß sind und ihnen daher möglicherweise das Budget und die Ressourcen fehlen, um in Schulungen und die Einführung von Technologien zu investieren. Vor allem Kleinstunternehmen, die ein Viertel aller Unternehmen in Polen ausmachen, nutzen keine digitalen Technologien und beeinflussen daher die Gesamtstatistik. Nur 5% der KMU verkaufen ihre Produkte oder Dienstleistungen auf ausländischen Märkten (und nur 14% tun dies im Inland).

Dabei ist es bei dem rasanten Wandel rund um die digitale Transformation notwendig, lieber früher als später zu investieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch lokale Anbieter müssen sich mehr und mehr mit einer internationalen Konkurrenz messen, die die gesamte Kundenreise digital abdecken kann.

Laut dem Bericht (aus dem Jahr 2018, die Zahlen könnten mittlerweile also anders aussehen) nutzen selbst größere Unternehmen (250+ Mitarbeiter) nicht wirklich Cloud-Dienste (40%), und soziale Medien (ca. 50%) und wenige betreiben eCommerce (10%).

Die Frage ist, warum selbst größere Unternehmen nicht die Notwendigkeit sehen - oder nicht die Mittel haben - um ihr Geschäft zu erweitern, indem sie nicht nur ihre Systeme und Prozesse, sondern auch ihre Dienstleistungen digitalisieren.

Digitale Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen liegen unter dem EU-Durchschnitt

Polens öffentliche Dienste sind eine Achterbahnfahrt mit erstaunlichen Ergebnissen in Bezug auf Open Data und vorausgefüllten Formularen, aber eher ernüchternden Zahlen in den Bereichen Nutzung und digitale Dienste für Bürger:innen und Unternehmen. Nur 55% der Bürger:innen nutzen elektronische Behördendienste, verglichen mit 65% in der EU.

Zusätzlich bietet Polen viel weniger Dienstleistungen für Bürger:innen (57 gegenüber 75 EU-weit) und Unternehmen (70 gegenüber 82 EU-weit) an.

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Menschen umso eher bereit sind, öffentliche digitale Dienste zu nutzen und sich über sie zu informieren, je attraktiver und vielfältiger das Angebot ist. Die bereits erwähnten Leuchtturmprojekte der e-ID-Profile sowie der "Trusted Profiles" lassen daher hoffen, dass der DESI-Bericht 2022 deutlich anders ausfallen wird.

Polen braucht mehr Anreize, um die digitale Nutzung zu fördern


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Es scheint fast so, als ob Polen in einem Teufelskreis gefangen ist - die Öffentlichkeit und die Unternehmen nutzen nicht genügend digitale Technologien und Dienstleistungen, aber es werden auch nicht genügend attraktive Optionen angeboten, daher ist das Interesse an mehr digitaler Bildung und Ausbildung gering, was weniger Menschen in IKT-Berufe bringt, was wiederum zu weniger digitalen Technologien und Dienstleistungen führt, um Menschen für IKT-Themen zu begeistern.

Angesichts der vielen Initiativen und Programme ist sich das Land dieses Dilemmas durchaus bewusst und will das ändern. Erste Programme zeigen bereits einen Anstieg der Akzeptanz, und es lässt sich in anderen Länderbeispielen sehen (z. B. Serbien), wie schnell der Wandel vollzogen werden kann.

Wichtig für Polen ist ein besonderer Schwerpunkt auf die Wirtschaft, die fast immer ein wichtiger Motor für das digitale Wachstum und Innovationspotenzial ist. Die Regierung allein kann die Industrie nicht für die Digitalisierung begeistern. Es liegt in der Verantwortung der Branchenführer, zu zeigen, wie die Digitalisierung von Prozessen, Kommunikation und Customer Journeys nicht nur das Geschäft optimieren und ausbauen kann, sondern auch völlig neue Geschäftsmodelle schafft, traditionelle Arbeitsmodelle ins 21. transportiert und Branchen zu globalen Wettbewerbern macht.


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Start your DIGITALL journey

von Juliane Waack

Juliane Waack ist Editor in Chief bei DIGITALL und schreibt über die digitale Transformation, Megatrends und warum eine gesunde Kultur die Basis für jedes erfolgreiche Unternehmen ist.

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